Am 21. September 2024 fand im Erbdrosten in Münster eine festliche Veranstaltung zur Verleihung der Karl-Preusker-Medaille an Gerhard Peschers, Bibliothekar an der Fachstelle Bibliotheksarbeit im Justizvollzug Westfalen-Lippe sowie Vorsitzender des Fördervereins Gefangenenbüchereien e.V., statt. Die musikalische Begleitung wurde von Jürgen Bleibel am Klavier zum Einlass und Abschluss gestaltet, Tania Pentcheva an der Gitarre führte durch die Verleihung selbst.
Dr. Georg Lunemann, Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, begrüßte zu Beginn der Veranstaltung als Hausherr die Gäste und den Preisträger im Erbdrostenhof. Der Erbdrostenhof in Münster ist ein herausragendes Barockgebäude, das zu den bedeutendsten historischen Bauwerken der Stadt zählt. Es wurde zwischen 1753 und 1757 von Johann Conrad Schlaun, einem bekannten Architekten des westfälischen Barocks, erbaut. Der Erbdrostenhof diente ursprünglich als Stadtpalais für den Adligen Adolf Heidenreich Freiherr Droste zu Vischering, der das Amt des Erbdrosten innehatte. Heute beherbergt der Erbdrostenhof die Denkmalbehörde des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und wird für verschiedene Veranstaltungen genutzt. Das Gebäude wurde während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, jedoch in den 1950er-Jahren originalgetreu wiederaufgebaut.
Anschließend erinnerte Dr. Sabine Homilius, Präsidentin von BID e.V., in ihrer Begrüßungsrede daran, dass selbst in Hochsicherheitsgefängnissen wie Alcatraz die Literatur als Quelle der geistigen Freiheit diente. Bereits die Insassen Alcatraz‘ vertieften sich in Werke von Kant und Schopenhauer oder Abenteuerromane von Jack London. Für Menschen in Haft wird das Lesen zur Brücke, um die Mauern ihrer Isolation zu überwinden und neue Perspektiven zu gewinnen.
Dr. Homilius würdigte Herrn Peschers’ Einsatz für Gefangenenbibliotheken, durch den er den Zugang zu Bildung und Wissen hinter Gittern fördert – ein Bereich, der gesellschaftlich oft übersehen wird. „Bücher öffnen Welten“ lautet das Motto des Fördervereins Gefangenenbüchereien, ein Leitspruch, der die Wirkungsmacht der Literatur als Mittel zur Selbstfindung und sozialen Integration betont.
Die Direktorin der Stadtbücherei Frankfurt berichtete auch über eine aktuelle Zusammenarbeit ihrer Bibliothek mit der Justizvollzugsanstalt Preungesheim. Gemeinsam werden Strategien erarbeitet, um Romane, Ratgeber und fremdsprachige Bücher in die Anstalt zu bringen. Dr. Homilius erklärte, dass der Wille, auch digitale Medien anzubieten, auf Herausforderungen wie das Internetverbot stößt, doch der engagierte Austausch unterstreiche das gemeinsame Ziel: Bildung als Menschenrecht für alle, das auch in Gefängnismauern nicht enden sollte.
Abschließend erinnerte Dr. Homilius daran, dass „die Gedanken frei sind“ und Literatur auch hinter Gittern zur Selbstbestimmung anregt – ein Vermächtnis, das Karl Preusker bereits vor fast zwei Jahrhunderten festigte und das durch Peschers’ Engagement weiterlebt.
Anschließend berichtete Hermann Wenning, langjähriger Wegbegleiter von Gerhard Peschers, wie seine eigene Haftzeit und die Gefängnisbibliothek ihm halfen, über das Buch „Vom Junkie zum Ironman“ den Weg aus der Sucht zu finden. Sein Buch „Lauf zurück ins Leben“, das seine eigene Lebensgeschichte erzählt, führte zu seiner ersten Begegnung mit Peschers, der ihn 2010 zu einer Lesung einlud. Diese Begegnung begründete eine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft. Wenning trat dem Förderverein Gefangenenbüchereien bei und engagierte sich bald im Vorstand, zusammen mit Peschers und weiteren Mitgliedern, die sich für die Unterstützung von Bibliotheken in Justizvollzugsanstalten einsetzen.
Besonders hob Wenning hervor, dass Gefangenenbibliotheken nicht nur den Inhaftierten helfen, sondern auch eine Investition in die Gesellschaft darstellen. Mit einem Augenzwinkern empfahl er dem Publikum, dem Förderverein beizutreten, um die Arbeit für Gefangenenbüchereien zu unterstützen. Abschließend beglückwünschte Wenning seinen Freund Peschers herzlich zur verdienten Auszeichnung und unterstrich, wie sehr dessen Engagement das Leben vieler Menschen berührt und verändert habe.
Barbara Lison, frühere IFLA-Präsidentin, würdigte Gerhard Peschers in ihrer Lobrede als außergewöhnlichen Bibliothekar, Menschenfreund und Netzwerker. Peschers, der seine Karriere der Förderung von Bildung und Kultur in Justizvollzugsanstalten widmete, setzte sich zeitlebens mit Herzblut für die Rechte der Inhaftierten auf Bildung und Zugang zu Literatur ein. Besonders beeindruckend sei, so Lison, wie er seine Arbeit mit Überzeugung, Empathie und einer unvergleichlichen Leidenschaft erfüllt habe.
Lisons Rede schilderte Peschers Werdegang von den Anfängen in der Theologie bis hin zu seinem Engagement in der Bibliothekswelt, in der er zahlreiche Projekte initiierte. Unter anderem brachte er 2007 die Bibliothek der JVA Münster zur Auszeichnung „Bibliothek des Jahres“ und gründete den Förderverein Gefangenenbüchereien. International bekannt als „Mister Gefangenenbüchereien“, setzt er sich aktiv in der UNESCO und IFLA für Gefangenenbibliotheken ein.
Neben dem bibliothekarischen Aspekt hob Lison Peschers ideellen Einfluss hervor: Als „Menschenfänger“ inspiriere er Menschen über Fach- und Ländergrenzen hinweg, mit ihm an seinen Zielen für eine humane Gesellschaft zu arbeiten. Peschers offener Umgang und sein Glaube an die transformative Kraft von Bildung und Literatur ließen ihn ein Beispiel für soziale Verantwortung und Menschlichkeit werden.
Nach der Lobrede überreichte Frau Dr. Homilius die Karl-Preusker-Medaille an einen sichtlich gerührten Gerhard Peschers. In seiner Dankesrede sprach er mit bewegenden Worten über seine Arbeit im Bibliothekswesen der Justizvollzugsanstalten und die Bedeutung des Lesens für Inhaftierte. „Dankbarkeit“ sei sein Schlüsselwort, erklärte er, und richtete diesen Dank an alle, die ihn in seinem Engagement unterstützt haben – darunter auch seine Familie, Kolleg*innen und zahlreiche Wegbegleiter.
Besonders hob Peschers seine Überzeugung hervor, dass Literatur im Justizvollzug eine Brücke zur Welt sein könne. Sein Projekt eines „Bücherbaums auf der Gefängnismauer“, das er als Symbol für Toleranz und Freiheit beschrieb, sei ihm in einem Traum erschienen und inspiriere ihn bis heute. Dieser Traum wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und soll durch Bilder und Worte eine Perspektive jenseits von Mauern und Grenzen aufzeigen.
Peschers bedankte sich bei den Mitgliedern des Fördervereins Gefangenenbüchereien, die sich mit ihm für das Recht auf Bildung und Information in Haftanstalten einsetzen. In seiner Rede erinnerte er an den verstorbenen Schriftsteller Günter Kunert, der die Kraft des Lesens als „magischen Akt“ beschrieb, und zitierte auch den Begriff „Pflicht“ des Autors Sten Nadolny. Für Peschers ist es diese innere Pflicht, die ihm die Kraft gibt, für eine menschliche Gesellschaft einzutreten.
Zum Abschluss betonte Peschers, dass die Auszeichnung ihn dazu ansporne, seine Arbeit fortzuführen. Mit dieser Ehrung, so Peschers, verbinde er den Wunsch, dass die heutige Feier neue Begeisterung und Ideen für die Bibliotheksarbeit im Justizvollzug entfache.
Als literarische Überraschung lasen anschließend an Peschers Worte Stefanie Kastner vom Goethe-Institut und Lisa Krolak von der UNESCO aus dem vor kurzem erschienenen Taschenbuch „Leben – Freiheit – Hoffnung – Gedanken von Gefangenen“, welches 40 ausgewählte Texte des Schreibwettbewerbs 2021 für Menschen in Haft und Arrest enthält.
Die Veranstaltung endete mit einem Empfang, bei dem die Gäste die Gelegenheit hatten, bei schönstem Spätsommerwetter persönlich mit Gerhard Peschers ins Gespräch zu kommen und zu gratulieren.
Auf die Website des Fördervereins Gefangenenbüchereien www.fvgb.de sei hingewiesen, wo weitere Informationen zur Bibliotheksarbeit im Justizvollzug und dem Traum vom Bücherbaum auf der Gefängnismauer sowie unter Aktuelles Beiträge aus dem Festakt und aus der Presse sowie eine Fotogalerie zu finden sind.
Dankesworte von Gerhard Peschers