Verleihung der Karl-Preusker-Medaille 2021 an Aat Vos
Ein Festakt im klassischen Sinne war es dennoch nicht. Bereits zu Beginn lockte der Saxophonist Felipe Nader die Gäste mit seinen Klängen in den ehemaligen Kinosaal des Bürgermeister-Reichert-Hauses, in dem die Veranstaltung stattfand. Ein Ort mit Geschichte, an dem Aat Vos die neue Kinderbibliothek der Stadtbibliothek Ludwigshafen entwickelt.
Dass diese neue Bibliothek wie alle Projekte von Aat Vos für die Menschen gemacht werden soll, unterstrich der Auftritt der MaRhymz, einem jungen Künstlerkollektiv, das von den „Rapagogen“ der Who.am.I Creative Academy gecoacht wird. Jugendliche, die es nicht ganz einfach haben, finden durch die sensible Arbeit von Ben König und seinem Team dort Rückhalt und Bühne zugleich.
Für BID-Präsidentin Dr. Sabine Homilius sind Bibliotheken „Möglichkeitsräume für die Stadtgesellschaft“, wie sie in ihrer Begrüßungsrede ausführte. Aat Vos transformiere Bibliotheken zu modernen Bildungs- und Begegnungsorten durch kreative Ideen und überraschende, aber gleichwohl finanzierbare Raumkonzepte. Das lokale Umfeld werde einbezogen, der Bildungsauftrag der Bibliotheken respektiert.
Die Möglichkeiten des Digitalen wurden sichtbar im Live Video Mapping von Urbanscreen, die in den Bühnenraum des Kinosaals mit einer Videoinstallation erfüllten, begleitet von den Klängen des Saxophons.
B. Joseph Pine II, Dozent an der Columbia University und Autor des Buches „The Experience Economy““, sprach in seiner per Video eingespielten Laudatio von der Wiedergeburt der Bibliotheken als „great good places“ nachdem sie durch die Digitalisierung vorübergehend ins Hintertreffen geraten waren. Dass sie nun als authentische Dritte Orte im Sinne von Ray Oldenberg wahrgenommen werden, hänge auch mit der Arbeit von Aat Vos und seinem Team zusammen: “I think the rise of digital technology had largely pushed libraries to the side, but now they again come to the fore as great good places, as third places designed inclusively for people to sit down, learn, converse, perform, hang out, and just be.”
Wichtigstes Prinzip von Aat Vos’ Schaffen – wie in seinem wegweisenden Buch 3RD4ALL (Third Places for All: How to make a Relevant Public Space) dargelegt – sei der Mensch und seine Erfahrungen. Das Erlebnis steht im Mittelpunkt der Raumerfahrung, placemaking also das Erschaffen von Orten, ist Erlebnisdesign, wie es auch Jon Jerde in seinem Werk „Visceral Realitiy“ ausdrückt. Um eindrücklich zu wirken, sollte das Erlebnis persönlich und authentisch sein, einer bestimmten Dramaturgie der Steigerung folgen und kohärent – d.h. auf ein Thema bezogen – sein. Im besten Falle könne es so zu einer nachhaltigen Bereicherung, ja sogar Veränderung der Menschen führen.
Modularität ist ein weiteres Prinzip, das eine effiziente Anpassung des Designprogramms ermöglicht. Ähnlich wie bei den Legosteinen, die man immer wieder neu zusammensetzen kann. Seine deutlichste Ausprägung findet das modulare Prinzip Joseph Pine zufolge in der Digitalität. Wenngleich die Realität immer noch die stärksten Erlebnisse ermöglicht, hat Aat Vos in seinem Werk bereits erkannt: „The next third place is virtual.“ Die physische und die virtuelle Welt werden sich in Zukunft immer mehr verschränken. Die beeindruckendsten Erfahrungen werden daher solche sein, in denen das Reale und das Virtuelle verschmelzen: “Ah, but in the future, the best experiences, the most dynamic experiences, the most engaging, memorable, and remarkable experiences will be those that fuse the real and the virtual, that bring together elements of both Reality and Virtuality to form something new and wondrous.”
Dass Aat Vos bei seinen Raumkonzeptionen immer auch schon das Virtuelle mitdenkt, wurde in dem herausragenden Video über seine Projekte deutlich.
Sichtlich gerührt nahm der Preisträger die vom Hallenser Bildhauer Carsten Theumer neu gestaltete Medaille aus der Hand von BID-Präsidentin Dr. Sabine Homilius entgegen. Er dankte insbesondere seinem Team, ohne dieses das Erreichte niemals möglich gewesen wäre.
Aat Vos sprach in seiner Dankesrede davon, dass auch er erst nach einem längeren Prozess erkannt habe, dass er etwas konstruieren müsse, das andere brauchen, das sie glücklich mache, nicht ihn. Es seien die unbekannten Menschen in den Kommunen, für die er und sein Team arbeiten, Menschen, die auf inklusive Dritte Orte angewiesen seien und ihnen Bedeutung gäben. Sie tragen auch zum Ergebnis bei, wenn sie über ihre Bedürfnisse sprechen und damit am Entwicklungsprozess teilnehmen. Die Gestaltung der Jugendbibliothek Toyen in Oslo gewissermaßen als „Wohnzimmer“ für die Jugendlichen war dabei ein wichtiger Meilenstein, ebenso wie die Veröffentlichung des Buches „3RD4ALL“. Es folgten Pilotprojekte in Würzburg und Köln Kalk, und eben der Kinosaal in Ludwigshafen, der ein zweites Leben als Kinderbibliothek bekommen kann. Biblotheksleiterin Tanja Weißmann und ihr Team seien hochmotiviert, sie haben den Drive, um den historischen Saal in neuem Glanz wiederherzustellen.
Die Pandemie habe gezeigt, dass physische Orte wichtiger sind denn je, betonte Aat Vos. Gerade für die Jüngsten sei es bedeutend, sie aus ihren Echokammern heraus zu holen, damit sie wieder lernen, auf andere zuzugehen und Unterschiede zwischen den Menschen zu akzeptieren.
Der Glaube an die Kraft einer inklusiven Gesellschaft drückt sich auch im neuen Namen der Firma aus, den Aat Vos erstmals bei der Preisverleihung in Ludwigshafen mitteilte: includi.